Zwischen Schnee und Sand

Unser nächster Halt: die Sahara. Wir lassen Boulemane und den mittleren Atlas mit all seinem Wind und Schnee hinter uns. Auf der Strasse durch Midelt fühlen wir uns einmal mehr an die Schweiz erinnert. Besser gesagt an das Thurgau. Fast jeder Kreisverkehr ist mit Kunst geschmückt und diese ist fast ausschliesslich irgendeine Art von Äpfeln. Warum auch nicht?

Wir halten in der Nähe des Staudamms Hassan II, wo wir ein Plätzchen zwischen Dattelpalmen und Olivenbäumen finden. Endlich wird es zumindest unter Tags wieder wärmer. Die Kälte der vorhergegangenen Tage ist schon bald vergessen. An diesem Platz begegnen uns kaum Menschen. Eine Familie macht ihr Sonntagspicknick neben uns. Ein Hirte treibt seine absurd menschlich klingende Ziegenherde an uns vorbei. Ein Mann vom Nachbarsgelände sagt uns Hallo, und dass er am nächsten Tag mit uns Tee trinken möchte. Und uns was zu Essen bringen will. Was er dann auch macht. Kurz nach Anbruch der Dunkelheit klopft es an unseren Bus und Said steht da, mit Schüsseln voll Gemüsereis, Brot und Datteln von seinem Grundstück. Auch am nächsten Morgen kommt er nochmals vorbei und trinkt mit uns Tee und bringt uns Berberpizza. Eine Bezahlung will er nicht annehmen, eine unserer Stirnlampen dafür schon. 

Verbrannte Oasen, die wieder blühen

Richtung Süden bleiben wir an einem Aussichtspunkt stehen. Der Anblick des ZIZ-Tals öffnet sich vor uns. Mitten in der braunen Landschaft reisst die Erde auf und vor uns liegt der grüne Streifen einer Oase. Verwinkelt zieht sich dieses Tal an einem Fluss entlang und die gelb gefärbten Laubbäume geben ihm ein farbiges Bild, das wir so überhaupt nicht erwartet hätten.

Der Blick über dem Ziz-Tal

Doch wenige Meter an der Strasse entlang kommt es zu einem radikalen Stilbruch. Auf einmal wird alles schwarz. Das Tal hat letztes Jahr gebrannt und die Spuren der Verwüstung ziehen sich kilometerlang an uns vorbei. Die meisten Dattelpalmen stehen wie schwarze, verkohlte Streichhölzer in ihrer düsteren Umgebung. Sie lassen nur noch erahnen, wie fruchtbar es hier einst war. Um so erstaunlicher, dass aus beinahe jeder Palme wieder ein neues Blatt spriest. Die Natur erholt sich schnell, selbst von solchen Katastrophen. Der Mensch braucht dazu länger.

Es erinnert mich an einen Satz, der mir vor kurzem gesagt wurde: Mit dem Klimaschutz wollen wir eigentlich nicht die Erde retten. Die Erde ist wandelbar, sie erholt sich, sie passt sich den Gegebenheiten an. Was wir wirklich retten wollen ist die Menschheit. Weil vor dem Aussterben sind wir bedroht, wenn wir den Planeten „unbewohnbar“ machen. Unbewohnbar für uns. Das zeigt sich hier so deutlich. Es sind die Menschen, die leiden, nicht die verbrannte Erde. Es sind die Menschen, die sich vor der Zukunft fürchten, nicht die Dattelpalme, die trotz eines tagelangen Feuers wieder beginnt zu spriessen. Nachdenklich fahren wir weiter. Es ist wahrscheinlich das erste Mal auf dieser Reise, dass wir dem Klimawandel so ungefiltert gegenüberstehen. Er führt uns vor Augen, wie zerstörerisch wir gerade mit dem Planeten umgehen. Nachdenklich fahren wir weiter.

Oranger Horizont

Am Horizont erkennen wir bald die ersten, orange leuchtenden Sanddünen. Sie erscheinen so unwirklich und deplatziert und dennoch sind sie da. Hier, direkt vor uns. Seit Jahrhunderten. Wir bleiben im Dorf vor Merzouga stehen. Hassilabied besteht beinahe nur aus Campingplätzen und Hotels. Wir nehmen irgendeinen Campingplatz mit relativ guter Bewertung und kommen kurz vor Sonnenuntergang an. Wir sind die Einzigen. Beinahe in den Sanddünen selbst können wir unseren Bus abstellen und den Sonnenuntergang in der Wüste geniessen. Natürlich ist das noch nicht kitschig genug und ein Kamel läuft am Horizont vorbei. Die Aussicht macht uns ein bisschen sprachlos, der warme Sand rinnt uns durch die Hände. Dass sich die Landschaft so schnell ändert, dass wir von einem Moment auf den anderen in so eine neue Umgebung eintauchen können – das haben wir einfach noch nicht begriffen. Wir brauchen Zeit um das zu verarbeiten und bereiten uns auf einen entspannten Abend im Sand vor. Und dann kommt doch alles anders als gedacht…

Wie es weiter ging erfahrt ihr hier:

Weiterlesen – „Durch Dünen düsen“

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