From the Black Sea to Batumi

Wir sind im Norden der Türkei angekommen. Langsam haben wir uns durch die Bergstrassen geschlängelt und vor uns breitet sich das Schwarze Meer aus. Es ist rau und grau und sehr windig, außerdem regnet es seit langem wieder. Und das gleich für ein paar Tage. Freunde aus St.Gallen von Luca hätten in Ordu ein Paket erhalten sollen. Leider kam das aber erst an, als sie schon weit über alle Berge (ok, in diesem Fall die Grenze zu Georgien) waren. Also holen wir es für sie ab. Sie sind mit dem Fahrrad unterwegs und Milan ging seine Schlafmatte irgendwann kaputt. Nach ein paar sprachlichen Verwirrungen mit der Paketempfängerin haben wir sie dann im Gepäck und genießen die Küste. Oder so dachten wir. Was wir allerdings nicht wussten, ist dass die Küste des Schwarzen Meeres östlich von uns komplett zugebaut ist. Der Highway knallt Richtung Georgien und auf ihm zahllose LKWs. Am Strand zu stehen bedeutet eigentlich auch nur, neben der Hauptstraße zu schlafen. An Ruhe ist da nicht zu denken. Also machen wir schnell einen Abstecher in die Berge.

Fliegen über arabischem Tourismus

Uzungöl soll „die Schweiz der Türkei“ sein. Irgendwie hat jedes Land seine eigene, interne Schweiz. Wir wollen hier Metin treffen, einen Tandempiloten, den wir in Kayseri kennengelernt hatten. Das kleine Dorf liegt mitten in den Bergen, neben einem See. Sehr schön anzusehen, aber neben der Natur erinnert hier kaum was an die Schweiz. Es ist unendlich touristisch. Wir fragen uns, ob hier wirklich noch Familien zwischen all den Resorts und Hotels wohnen. Eher nicht. Es herrscht wahnsinnig viel Trubel. Im Vergleich zu Ölüdeniz ist hier jedoch nichts in Pfund oder Englisch angeschrieben, stattdessen auf Arabisch.

Viele Tourist:innen kommen von der arabischen Halbinsel, denn der Ort liegt recht hoch und ist eine angenehme Abkühlung für viele. Wir stellen unser Auto neben dem Vergnügungspark ab und lernen die unterschiedlichen Piloten bei Tee kennen. Kurz darauf kommt Metin zu uns. Es fliegt heute nicht, die Wolken hängen viel zu tief. Wir essen gemeinsam und verabreden uns zu einem Flug am nächsten Tag. Am Morgen erhält Luca ein typisches Frühstück der Region: Es heißt Muhlama und ist vermutlich die türkische Version von einem Fondue: Geschmolzener Käse, Butter und Polenta. Der Schweizer strahlt.

Danach fahren wir auf den Berg, aber der Nebel wird immer dichter. Die Wolken hängen über dem kleinen Ort und es dauert recht lange, bis wir uns endlich über ihnen befinden. Die Aussicht ist hier zwar fantastisch, aber in ein Tal zu fliegen, in welchem man den Boden nicht sehen kann ist dann doch einfach zu gefährlich. Macht man nicht. Wäre tatsächlich sogar sau dumm… Bei einem tiefen liegenden Startplatz können wir dann aber doch los. Der Flug ist kurz und kalt, aber schön. Nur bei der Landung ist es wieder etwas seltsam, müssen wir doch über einem Hotel Höhe abbauen und aufpassen nicht in der Fahrbahn der Go-karts zu landen. Wir schaffen es aber beide.

Wir treffen Freunde!

Das Wetter wird die nächsten Tage nicht besser… also knacken wir gemeinsam noch alle ein paar Haselnüsse, tauschen Nummern aus und machen uns wieder auf den Weg.

Am nächsten Tag treffen wir Daniela und Milan in Findikli. Zum einen, um die Schlafunterlage abzugeben, zum anderen zum gemeinsamen Mittagessen, aber auch um sich wieder einmal mit jemandem auszutauschen. Wir verfolgen ihre Reise auch schon länger, und es ist total schön, sich dann plötzlich gegenüber zu stehen. In dem Dorf hier wollen wir auch unseren nächsten Workaway machen – auf einer Haselnussfarm. Allerdings schreibt uns der Besitzer, dass sie gerade nicht da sind, und wir erst am nächsten Tag anfangen können. So beschliessen wir spontan die zwei in unser Auto einzuladen (sie kamen mit dem Bus) und auf ein Bier nach Georgien zu fahren.

Der chaotische Teil der Reise: in den frühen Morgenstunden desselben Tages kam es zu einem Steinschlag der alles zuschüttete: ein LKW, der seit Tagen in der Warteschlange für den Grenzübergang stand, sein Fahrer und ein Teil der Strasse. Dadurch war alles blockiert und wir mussten über eine kleine Bergstrasse ausweichen, die auf einmal zur Hauptverkehrsachse umfunktioniert wurde. Die Abgründe, die uns nur bremsen und mit 20km/h durch die Gegend fahren liessen, wurden von den Einheimischen wie gewohnt ignoriert und wir wurden ständig überholt. Respekt…

Ein bisschen Georgien

Der Grenzübertritt war relativ easy (Milan und Daniela mussten zu Fuss rüber – gut so, wir wurden nämlich darauf kontrolliert, ob sich wer im Auto versteckt), wir lösten eine Autoversicherung online und versuchten uns schnell mit dem neuen Geld zurechtzufinden. Von 18 Lira = 1 Euro kamen wir jetzt zu 3 Lari = 1 Euro. Ok, klingt machbar. Das wäre geklärt, nun also auf in die Stadt: Milan und Daniela schlafen momentan in Batumi. Wir stellen den Bus neben dem Radisson ab (fancy fancy) und geniessen im Hostel der beiden eine warme Dusche und richtig leckeres Brot. Und dann stehen wir auf einmal mitten im Nachtleben von Batumi. Das heisst in einer Bar lernen wir die georgische Weinkultur kennen (sehr empfehlenswert) und in der nächsten finden wir schlechte, viel zu laute Musik, betrunkene, junge Touristen aus der Schweiz, ein viel zu kleines Hündchen und die obligatorische, rassistisch angehauchte Anpöpelei, als die Bar schliesst. Alles was eben zum „Ausgang“ dazugehört und was wir schon seit Monaten nicht mehr erlebt hatten.

Unerwartete Planänderung

Batumi war eine nette Abwechslung, aber wir wollen wieder irgendwo eine Zeit lang sein. Und ein Öko-haus, wo man Haselnüsse pflücken kann klingt doch hervorragend. So fahren wir vergnügt am nächsten Morgen wieder über die Grenze zurück. Heute ist jedoch viel mehr los, Bianca muss aussteigen und zu Fuss hinüber und dann fast 2h auf Luca warten. Und dann die Überraschung: In Georgien hatten wir ja kein Internet. Braucht man ja auch nicht dauernd, dachten wir. Na ja, dieses eine Mal wäre es ganz praktisch gewesen: Der Workaway Gastgeber hat sich nämlich irgendwann morgens gemeldet und uns abgesagt. Private Probleme. Wir rufen ihn an und es klingt so, als würden sie sich in einer Trennung befinden. Scheisse. Für alle.

Was jetzt? Wir haben keinen Bock mehr auf die Küste hier, also drehen wir wieder um und geben uns die Grenze wieder. Auf dem Weg nehmen wir zwei Backpacker aus Polen mit. Sie sind vor 7 Tagen in Polen gestartet. Sie machen alles per Autostop und wollen nach Azerbaijan. Wir sind beeindruckt, wie schnell sie unterwegs sind, und sagen ihnen aber auch, dass die Landesgrenzen zu Azerbaijan geschlossen sind. Das verwirrt sie. Nachdem das Auto wieder über der Grenze ist, gabeln wir die zwei auch wieder auf und fahren gemeinsam nach Batumi. Auf unserem Stellplatz sind noch ganz viel andere Camper in allen Grössen und Formen. Kleiner wie unserer ist allerdings selten einer. Eher so massive Explorermobile, vom Landrover bis zum Lastwagen ist alles vorhanden, hauptsächlich aus dem deutschsprachigen Raum. Wir stellen uns dazu, lernen ein paar Leute kennen, die schon ewig unterwegs sind, und anscheinend dennoch nicht in der Lage waren, gewisse Rassismen abzulegen. Es ist schon erstaunlich, wie Menschen Jahre lang die Welt bereisen können und koloniale Grundgedanken und eurozentristische Einstellungen niemals hinterfragen, oder sich diesen auch nur im Ansatz bewusst werden… Na ja, wir versuchen jedenfalls weiterzukommen und schmieden bald einen neuen Plan…

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