Roadtrip Westtürkei

Wir fahren das Mittelmeer entlang. Unser nächstes, grosses Ziel heisst Ölüdeniz. Dort wollen wir einen Sicherheitskurs fürs Fliegen machen. Noch haben wir keinen Kontakt, aber wir haben auch keinen Stress, dafür – wie immer – viel Zeit.

Auf unserem Weg nehmen wir Autostopper mit. Viele sind mit dem Zelt unterwegs, oder waren über das Wochenende irgendwo wandern. So lernen wir auch einen Russen kennen. Er erzählt uns davon, wie viele von ihnen seit Ausbruch des Krieges geflohen sind, weil es für sie zu gefährlich wurde. Viele befinden sich jetzt in Georgien, Armenien oder der Türkei, denn hier bekommen sie ihr Visa relativ unkompliziert. Die Berichterstattung in ihrem Land unterscheidet sich stark von der Unseren. Der Autostopper, der uns das alles erzählt würde eigentlich gerne wieder zurück – alleine um zu sehen, wie es seinen Freund:innen und Familie geht, denn er bekommt so gut wie nichts mehr von ihnen mit.

Wir dümpeln die nächsten Tage ein bisschen durch den Südwesten des Landes. Wir schwitzen an Stränden und besuchen in Izmir ein veganes Restaurant. Luca verliert seinen Hut in der Stadt, und bei einem Halt an einer Tankstelle lernen wir Kurden kennen, die uns überschwänglich von ihrem Land erzählen. Wir sollen doch lieber in den Irak, als in den Iran… vielleicht überlegen wir uns das sogar, aber das liegt noch weit in der Zukunft.

Tourismusfalle Pamukkale

Ok, Tourismusfalle ist vielleicht ein bisschen hart ausgedrückt. Vielleicht aber auch nicht… Achtung, es folgt Wikipedia-wissen: Pamukkale (türkisch für Baumwollburg/Watteburg) ist eine natürliche Stätte in der Provinz Denizli im Südwesten der Türkei. Pamukkale erhielt seinen Namen durch die Kalksinterterrassen, die über Jahrtausende durch kalkhaltige Thermalquellen entstanden sind und eine Touristenattraktion darstellen. Die Terrassen stehen zusammen mit der oberhalb von ihnen gelegenen archäologischen Stätte der antiken griechische Stadt Hierapolis auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO.

So weit also die Fakten. Die Terrassen sehen überall wunderschön weiss aus, gefüllt mit türkisem Wasser. Ausserdem kann man vom Berg daneben aus über sie fliegen. Grund genug hinzufahren. Dachten wir, und haben es getan. Bei der Ankunft am Landeplatz war es schon wahnsinnig heiss. Es hatte zum Teil bis zu 37 Grad und kühlte kaum über Nacht ab, und das im Mai. Bäume und somit Schatten, gab es auf keinem der Plätze rundum. Alles war richtig karg. Das Dorf selbst besteht fast nur aus Restaurants und Hotels, alles wirkt viel zu teuer und einmal mehr sind wir froh, dass wir den Anschluss an Einheimische durch das Fliegen finden können. Denn wie das sonst hier gehen sollte ist uns ein Rätsel.

Flug- und Badeversuche

Wir konnten am ersten Tag nicht mehr fliegen, weil es unzählige „dust devils“ am Landeplatz gab. Kleine Wirbelstürme, die einfach viel zu gefährlich sind. Dementsprechend wurden die Startplätze dann auch gesperrt. Am nächsten Tag wurden wir um 5 Uhr von den Heissluftballonen geweckt, die neben uns aufgeblasen wurden. Mit ihnen konnten wir auch nicht fliegen, der Wind war ungünstig. Nach einigen Registrierungen und viel Warten schafften wir es dann doch. An diesem und am nächsten Tag ging sich jeweils ein Flug aus. Die Aussicht ist eindrücklich. Aber ohne Thermik zu finden landen wir bereits nach fünf bis zehn Minuten. Schade.

Na ja, egal, so haben wir dann Zeit für diese Kalkterrassen. Beim Eintritt stellen wir wieder einmal fest, wie überrannt alles ist. Ständig kommen neue, voll gefüllte Tourismusbusse an und fahren nach etwa 2 Stunden wieder ab. Überall am Weg entlang posen Leute für Instagram, wirklich freie und gemütliche Plätze im Wasser (das nur etwa Wadentief ist) gibt es kaum.

Oben angelangt sehen wir einen Stand mit Fake-Engelsflügel, die man sich für ein Influencer-Foto mieten kann. Irgendwo zwischen alten Menschen, Kindern und Frauen mit Kopftuch und sogar Burkini stehen zwei Frauen im String und shaken ihre booties für das perfekte Foto. Es ist absurd zu sehen, welche Welten hier aufeinander treffen. Wir machen oben ein Pause unter einer riesigen Türkei-Fahne und entfernen uns dann etwas weiter nach hinten, weg von all dem Trubel. Als wir noch überlegen, ob wir den Eintritt für die heissen Quellen zahlen wollen, schlägt das Wetter komplett um und ein riesiges Gewitter türmt sich über uns auf. Gut für uns, die meisten fliehen nämlich davor. Wir machen allerdings gemütlich auf den Rückweg und haben dabei endlich fast alle Pools fast für uns alleine. So können wir doch noch baden 🙂

Schatten dringend erwünscht

Uns wird es dann allerdings zu heiss. Wir wünschen uns einen Schattenplatz und machen uns somit weiter auf den Weg. Von den Piloten in Pamukkale haben wir einen Kontakt in Ölüdeniz erhalten. Sinan Çalışkan wird Anfang Juli unser Lehrer für einen „Full SIV“ Kurs. Doch davor zieht es uns an den „Salda Gölü“, den wohl schönsten See, den wir bis jetzt gesehen haben. Es ist ein türkiser Kratersee mit weissem und schwarzem Strand sowie dem wohl klarsten Wasser, welches man sich vorstellen kann. Wir stellen unseren Van im Schatten der Bäume ab und springen vergnügt ins kühle Nass, welches den Schweiss und die Hitze aus Pamukkale hinter uns lässt. Anschliessend machen wir ein Feuer und geniessen das Gewitter, das sich bald über unseren Köpfen zusammenbraut, und uns sogar einen dreifachen Regenbogen beschert.

Abstecher Burdur

Anstatt jetzt aber hier die Tage abzusitzen, juckt es Luca wieder unter seinen Flügeln. Er hat einen Kontakt in Burdur, einer Stadt ganz in der Nähe, und wir fahren hin, um zu fliegen. Leider treffen wir ihn dort jedoch nicht an. Stattdessen taucht der 22-jährige, leicht verrückte Pilot Mustafa auf. Er kann kaum Englisch, wir kein Türkisch, aber er will mit uns fliegen gehen. Einige Übersetzungsprogramme und ein paar Missverständnisse später sind wir auf dem Weg zum Startplatz. Die Strasse ist schlecht und steil….

Freddy schafft es leider nicht, also fährt Bianca zurück und Luca läuft mit Mustafa den restlichen Kilometer (oder so). Nach einem kurzen Flug, respektive einer kurzen Fahrt, kommen alle wieder am Landeplatz an. Mustafa freut sich so über den Kontakt mit uns, dass wir uns dazu überreden lassen, den restlichen Abend in der Stadt zu verbringen. Erst gibt es einen Stop zum Eis essen, dann dröhnen wir in seinem Auto weiter zu einem Billardsaal. Dort versuchen wir anfangs noch die türkische Version von Rummikub zu lernen, aber das Übersetzungstool scheitert dann doch an dieser Aufgabe.

Dafür lernen wir aber auch Milad kennen, der mit uns eine Runde Billard mitspielt. Er war ein Übersetzer der Deutschen Botschaft in Afghanistan, und musste dann, als diese sich letztes Jahr zurückzog, fliehen. Seit ein paar Monaten lebt er nun in der Türkei und wartet darauf, weiter nach Deutschland ziehen zu können…

Stadttreiben und See-Entspannung

Nach einem gemeinsamen Abendessen mit vielen, vielen, lustigen Übersetzungen, und Versuchen unsere unterschiedlichen Kulturen zu erklären, verbringen wir die Nacht doch noch in der Stadt. Erst am nächsten Tag fahren wir zurück an unseren Lieblingssee „Salda Gölü“. Es ist ein „Kraftort“, voller Ruhe und Entspannung. Zuvor waren kaum andere Leute da, aber bei unserem zweiten Besuch hier – ein Wochenende – sieht es etwas anders aus. Andere Campervans stehen da, wir lernen eine türkischen Camper kennen, der dieses Leben gerade für sich entdeckt hat, Luca bekommt wieder einen neuen Haarschnitt und wir verbringen den Abend mit einer türkischen Familie.

Diese können zwar wieder kaum Englisch und wir sind erneut auf die App angewiesen, aber das Lachen in der Runde ist gross. Auf ihren Gesichtern ist eine gewisse Verwunderung zu beobachten, wenn wir sagen, dass wir nicht verheiratet sind und keine Kinder haben. Aber viel grösser ist die Verwunderung der Mütter, dass wir so lange reisen, denn für sie wäre eine so lange Trennung von ihren Kindern unvorstellbar.

Dankbar darüber, dass wir unser Leben so frei gestalten können, wie eben gerade während dieser Reise, aber auch darüber, dass wir all dies so offen teilen können, fallen wir ins Bett. Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg nach Ölüdeniz, wo wir für die folgenden 2 Wochen ein AirBnB gemietet haben… Aber das wird ein anderes Kapitel.

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